Gartentagebuch

2023

Mehr Wildheit - geht das und was bedeutet es?

Neben den Moden, den es auch für die Gestaltung von Gärten gibt, ist die Forderung nach mehr Wildstauden im Garten entstanden. Dabei gibt es die, die nur einheimische Stauden und Gehölze in einem Garten sehen wollen, da sie der Überzeugung sind, dass nur diese die Biodiversität aufrecht erhalten können. Bei dieser Konzentration auf einheimisch muss als erster einmal definiert werden, was einheimisch eigentlich bedeutet. Gilt einheimisch nur für Deutschland? Gelten die Pflanzen und Bäume als einheimisch, die vor der letzten Eiszeit, nach der letzten Eiszeit oder in der Zeit wuchsen als eine Durchschnittstemperatur herrschte, die von ca. 8000 v.Chr. bis ins 20. Jahrhundert relativ gleichmäßig war?

Wildstauden haben unbestritten einen riesengroßen Vorteil, weil sie Teil eines funktionierenden Ökosystems sind. Tiere und Pflanzen sind aufeinander angewiesen und können nur miteinander erfolgreich existieren. Deshalb ist es so ungeheuer wichtig Naturräume zu erhalten oder verlorene wiederzubeleben! Wir verstehen nur zum Teil wie komplex die Ökosysteme sind und welcher Schaden durch einen wegfallenden Baustein angerichtet wird. Leider sehen wir immer die Schäden erst, wenn sie offensichtlich zu Tage treten. 

 

Für einen Garten, der immer ein vom Menschen geschaffener Ort ist und keinesfalls auch nur in die Nähe der unberührten Natur kommt, stellen sich die Fragen etwas anders. Natürlich kann ich durch eine geeignete Pflanzung, durch Gestaltung und Elemente wie Teich, Trockenmauer, verrottetes Holz, bienen- und vogelfreundliche Sträucher und Pflanzen, Nistmöglichkeiten usw. einen kleinen Beitrag leisten. Auch kann ich durch Wildstauden die Anzahl der Insekten fördern. Wenn sie denn in einem Garten wachsen. Denn bei der Ansiedlung von Wildstauden stellt sich als erste Frage die nach dem Standort. Das klingt so einfach, wie :Wildstauden für den Halbschatten: Halbschatten, der in allen Publikationen als vier Stunden besonnt, beschrieben wird. Aber so einfach ist es nicht: Vormittagssonne, zarte Nachmittagssonne oder harte Mittagssonne? Dazu die Bodenbeschaffenheit, die Feuchtigkeit und die Wurzelkonkurrenz.

Glücklicherweise haben viele Wildstauden - wie man so schön sagt - eine breite Standortamplitude. All dies wird mich nicht daran hindern zu versuchen, mehr Wildstauden anzusiedeln. Um das zu tun, muss ich erst mal feststellen, welche Wildstauden bei mir wachsen. Deshalb habe ich eine neue Kategorie eingeführt und an Hand der Listen in Peter Steigers Buch -Heimische Wildstauden im Garten- meine Wildstauden zugeordnet.

Nach der sehr warmen ersten Januarhälfte, in dem die ersten Schneeglöckchen und Krokusse schon die Blüten streckten, gab es am 21. Januar einen nahezu magischen Moment: in der Nacht waren ca. 10cm Pulverschnee gefallen, der Garten war verzaubert.

  • Das „Erste“ - Dies ist eine variable Nivalis-Form, Abkömmling von ’Viridapice’, grüne Markierungen auf der Innenpetale, auf der Außenpetale grüne Segmente mit einem kleinen weißen Punkt an der Spitze. William Boyd erhielt das Schneeglöckchen 1886 als „Scharlockii“ von dem Zwiebelhändler Thomas S. Ware, Inhaber der Hale Farm Nursery in Tottenham.
  • 21. Januar Pulverschnee
  • 21. Januar
  • 21. Januar
Allerdings dauerte das Schauspiel, wie in unserer Höhenlage üblich, nicht lange, denn es taute schon im Laufe des Tages. Faszinierend ist die Anzahl und die Arten der Vögel, die im Garten die Futterstellen besuchen. Neben Amseln, Kohlmeise, Blaumeise, Tannenmeise und Sumpfmeise kommt auch der Buntspecht, der vor allen Dingen die Fettkugeln liebt.
  • Bergfink
  • Grünling
  • Bergfink, seltener Wintergast aus dem hohen Norden
  • Kleiber
  • Kernbeisser, er ist ein streitbarer Geselle
  • Rotkehlchen - das englische Red Robin
  • Herr Buchfink, aufgeblustert. Frau Buchfink ist zurückhaltender gezeichnet
  • Erlenzeisig, sie kommen jedes Jahr in Schwärmen im späteren Winter und sind mit anderen Finken vergesellschaftet z.B. Dompfaffen und Distelfinken

Der Frühling lässt sich in diesem Jahr Zeit. Prinzipiell ist das aus gärtnerischer Sicht einfacher als wenn sich sehr warme Phasen mit Frostnächten abwechseln. Dieses Jahr ist an Ostern (8.4) gerade so der Vorfrühling eingekehrt, d.h. die Kastanie schlägt aus. Die Stauden treiben aber noch sehr verhalten. Wenn ich jäte, bekomme ich noch kalte Finger, die Erde ist noch nicht richtig warm. Geregnet hat es glücklicherweise im März genug, allerdings könnten wir noch viel mehr Regen gebrauchen um die Grundwasservorräte aufzufüllen.

  • Erythronium Snowflake. In 2022 gepflanzt.
  • Bei den ersten Sonnenstrahlen sind die Zitronenfalter am Aubrieta und naschen.
  • Im Präriebeet Wildtulpen Tarda
  • Eine ganz neue Kombination hat sich ergeben: die unter Madame Carriere prächtig blühenden helleborus harmonieren mit der Clematis alpina Bristol Ruby.

Mein ursprünglicher Gemüsegarten, in dem jetzt mein gut funktionierendes Hochbeet steht, ist in seinen restlichen Bereichen  eher ein Trauerspiel. Trotz Bergen von Kompost, Umgraben, Hacken usw. wächst kein Gemüse befriedigend. In den letzten zwei Jahren habe ich zugelassen, dass dort alles wächst, was sich ausgesät hat. Das sah zur Blüte schön aus, da eine Mischung aus Nachtviolen, Mutterkraut, Teucrium, Wiesenmargeriten, Fingerhut, Johanniskraut, Mohn, Borretsch, Muskatellersalbei und noch allerlei Wildem gewachsen ist. Nach dem letzten Sommer ist aber die Versamung von "ganz Wildem" so stark und dominant gewesen, dass ich mich entschlossen habe: ich muss es ändern. Den Teil gegenüber dem Hochbeet, der durch den Cornus mas etwas schattiger ist, habe ich unbearbeitet gelassen, die Gewürzkräuter zusammengepflanzt und ein Erdbeerbeet neu angelegt.

Bei der Gelegenheit habe ich einmal zusammengestellt, welche Gewürzkräuter so wachsen:

 

  • Kerbel
  • Bronzefenchel
  • französischer Estragon
  • Bohnenkraut
  • Liebstöckel (am Teich)
  • Majoran (wild, überall wo ich ihn nicht jäte)
  • Rosmarin (im Vorgarten)
  • Wermut
  • Zitronenmelisse (überall wo ich sie nicht jäte)
  • Salbei (am Teich)
  • Bärlauch
  • Borretsch
  • Schnittlauch
  • Pimpernelle 
  • Pfefferminz (am Teich)

 

Wenn uns das Wetter nicht immer wieder überraschen würde, wären wir ärmer. Nach dem trockenen und sehr warmen Frühling im vorigen und vorvorigen Jahr ein anderes Bild: Kalt, nass und mindestens 14 Tage später als in den letzten Jahren: der vielbeschworene Klimawandel zeigt kein einheitliches Bild, sicher ist nur, dass es sich ändert. Zeigerpflanze für mich ist der Flieder: wegen eines familiären Gedenktages kann ich mich gut erinnern, ob der Flieder an diesem Tag Ende April blüht oder nicht. In diesem Jahr blüht er fast mindestens drei Wochen später! An den offenen Gärten im vorigen Jahr am 18. Mai waren die Rhododendron fast verblüht, in diesem Jahr am 21. Mai hoffen wir darauf, dass einige wenige Blüten geöffnet sein werden. Ganz abgesehen von den blühenden Rosen des vorigen Jahres, die in diesem Jahr gerade knospig sind. Kurz: es ist anders und die Besucher erwartet ein Blütenbild, das nicht unbedingt unattraktiver sein muss, eben anders.

Die Witterung der letzten Tage vor dem Öffnungssonntag hat die Rhododendron und die Margeriten ermuntert, ihre Blüten zu öffnen. So hatten wir auch in diesem Jahr einen blühenden Garten zu bieten. Einige Besucher waren von der Fülle der blauen Blüten beeindruckt, andere fragten nach der Mischung von "zahm und wild". Wir hatten viele Besucher, bei den meisten stand die Frage nach dem Pflegeaufwand im Vordergrund. Die meisten können nicht glauben, dass dieser gering ist und nehmen dann zur Kenntnis, dass die Bodenbedeckung der Schlüssel für den Pflegeaufwand ist. Natürlich habe ich jetzt ein paar Pflanzen, die besonderer Pflege bedürfen, aber das ist nicht der Schlüssel für die Schönheit des Gartens sondern nur der Gartenbegeisterung und der Freude am Experimentieren geschuldet.

  • So präsentierte sich der Garten am ersten Öffnungssonntag der Offenen Gärten
  • So präsentierte sich der Garten am ersten Öffnungssonntag der Offenen Gärten
  • So präsentierte sich der Garten am ersten Öffnungssonntag der Offenen Gärten
  • So präsentierte sich der Garten am ersten Öffnungssonntag der Offenen Gärten
  • So präsentierte sich der Garten am ersten Öffnungssonntag der Offenen Gärten
  • So präsentierte sich der Garten am ersten Öffnungssonntag der Offenen Gärten
  • Die Wisteria am „Storchennest“
  • Der Garten in voller Blüte von oben
  • Der Garten in voller Blüte
  • Meine Lieblingsrose: Madame Alfred Carrière
  • Sie hat ein paar Jahre gebraucht, bis sie etwas üppiger blüht. Es ist Erinnerung an Brod, eine Rose, die der Klasse der Alten Rosen zugeordnet wird. Ihr Standort ist herausfordernd, am Südosthang mit nährstoffarmem Boden.
  • Phänomen Rouge, eine Rosa rugosa mit der aussergewöhnlichen Farbe. Vom Garten aus kann man sie nicht mehr sehen, da sie verdeckt wird, man sieht sie als Krönung des Hangs von der Straße aus. Auf dem Hang wachsen vorwiegend rote Rosen und rote Stauden, aufgelockert durch den hellgelb blühenden Digitalis lutea.
  • Endlich eine Staudenpäonie, die reinweiß und ungefüllt blüht.

Anfang Juni hatten wir ein heftiges, lokal begrenztes Gewitter mit leichtem Hagel, das uns 25 Liter Regen beschert hat. Das hat dazu geführt, dass ich in diesem Jahr bisher noch den Gemüsegarten und die besonderen Schätze wie Ligularia, Impatiens und Mukdenia gießen musste. Das Präriebeet hat noch keinen Tropfen Gießwasser gesehen und entwickelt sich gut. Am 21. Juni haben wir die Margeritenwiese zu Heu gemacht und jetzt kommt es besonders gut zur Geltung. Pauli bildet mit seiner unheimlichen Blütenfülle eine Wand zusammen mit dem dahinterstehenden, in diesem Jahr schön blühenden Jasmin und der Feliciteé et perpetué. Der ganze Garten duftet nach Moschus. Auch Lykkefund am Ahorn hat sich prächtig entwickelt, man spürt überall die Regenfälle des Winters, die Wasser in die tieferen Bodenschichten gebracht haben. Der Sommer-Rhododendron hat jetzt endlich nennenswerte Blüten. Die Holzbienen, die wir schon im frühen Frühjahr zu Besuch hatten, laben sich nicht nur am Muskatellersalbei, sondern der Hit ist Stachys recta, das sich ziemlich ausgebreitet hat.

  • Pauls Himalayans Musk in voller Schönheit.
  • Madame Carriere mit Clematis Julia Correvon
  • Sommer Rhododendron - endlich blüht er
  • Holzbiene an Stachys recta
  • Nachdem Pauli verblüht ist, breitet der Rambler Excelsa mitsamt Clematis in blau seine Blüten über den Rosenbogen.
  • Am Teichrand blüht der Blutweiderich in passendem Pink.

Regen hat sich bis Ende Juli rar gemacht, aber die Temperaturen lagen nur an wenigen Tagen über 30 Grad. Eine Westwetterlage Ende Juli hat den ersehnten Regen gebracht, auch die Wiese ist inzwischen wieder grün. Das meiste Abgeblühte ist abgeschnitten um auf einen zweiten Flor zu hoffen. Das Präriebeet hat außer dem Regen keinen Tropfen Wasser benötigt und blüht. Es kann noch etwas dichter werden, aber der Ansatz scheint vielversprechend.

Bei mir kommt es immer wieder einmal vor, dass meine Ansicht, wo es einer Staude gefällt, nicht mit der Forderung der Staude übereinstimmt. Das trifft für den cyrtomium macrophyllum var. tukusicola (japanisch/chinesischer Sichelfarn) und auch auf Athyrium niponicum metallicum, den Regenbogenfarn ebenfalls aus Japan, zu. Am Anfang der Trockenperiode habe ich sie beide in Töpfe gepflanzt und dort sind sie wunderbar gewachsen. Da sie nicht in Töpfen bleiben können, sind sie an eine Stelle im Gehölzbeet umgezogen, wo vorher Geranium wuchsen. Das dort vorhandene Licht genügt ihnen hoffentlich. Außerdem wachsen sie dort am Beetrand, wo ich sie besser im Auge habe. Es ist an dieser Stelle eine schöne Kombination entstanden: Asarum, Impatiens omeiana aus dem Himalaya, zwei Sichelfarne, der Regenbogenfarn, daran anschließend die Cimicifuga racemosa und Brunette, die jetzt Blüten mit einem betäubenden Duft treiben. Sie alle brauchen mehr Pflege, sei es Wasser oder Vermeiden von Wurzeldruck, ein Problem, das ich wegen der dahinterstehenden Geranium Fläche noch lösen muss.

Das Thema, das ich in diesem Jahr gewählt habe, bedeutet, dass wilde Stauden sich aussäen. Das ist gewollt und findet mit  Ansage statt. Wenn man Wildstauden pflanzt, ist man sich vielleicht nicht sofort im Klaren darüber, was es bedeutet: ich muss die Sämlinge erkennen. Das ist bei kleinen Sämlingen nicht einfach, da auch ungewollte Sämlinge überall herkommen und sich mit den Gewollten mischen. Teilweise sind die nicht Gewünschten invasiv und müssen entfernt werden, um für die Gewünschten Platz zu machen. Einige Sämlinge kann ich ganz gut erkennen, andere aber nicht. Da erwarte ich einen langen Lernprozess mit try and error.

  • Ein natürlich entstandener halber Kranz von Rosen der Madame Carriére, die unentwegt in der Mitte des Gartens als Baum blüht.
  • Die Samen von Phlomis als Büfett für die Meisen. Hier eine Sumpfmeise.
  • Sie gehört auch zu den Stauden, die ich mehrfach umpflanzen musste: Thalictrum delavayi. Jetzt blüht sie endlich und ist wunderschön! Ihre große Schwester rochebrunianum Elin, ist völlig unproblematisch und übersteht auch Trockenphasen trotz ihrer stattlichen Höhe.
 

So viel mehr hat es in diesem Jahr nicht geregnet, aber der Unterschied ist gewaltig: der Regen im August hat zum Durchtreiben der Stauden geführt und alles ist wie wild gewachsen. Das Steppenbeet, das keinen Tropfen Wasser außer Regen gesehen hat, ist üppig erblüht, die Herbstanmonen waren üppig wie selten und im großen Staudenbeet ist für Spätsommer und Herbst eine relativ stabile Staudengemeinschaft aus blühenden Waldastern, Bistorta amplexicaulis und weißen Astern mit ein paar Sedum telephium und den immer noch blühenden Austin Rosen Olivia und der prächtigen Staudenclematis herangewachsen. Auch das Staudenbeet an der Terrasse glänzte mit Caryopteris und Bistorta amplexicaulis Pink Elephant, den ich jetzt noch um weitere Pflanzen ergänzt habe. 

  • Eine neue Lieblingsstaude Salvia azurea, ein himmlisches Blau.
  • sie stammt aus dem Himalaya und hat sich eingelebt. Impatiens omeiana
  • So schön haben sie noch nie geblüht - eine Wolke von weiß umschwärmt von Bienen und allerhand anderen Insekten.
  • Ein Blick ins Präriebeet mit blühender Waldaster und Salvia azurea.
  • Aster ageratoides ’Ezo Murasaki’
  • Cyclamen hederifolium, hier in rosa. Ich habe viele Knollen gepflanzt, teilweise sind sie noch klein. Unter Madame Carriere blühen sie in größerer Zahl in weiß. Ein fast unwirklich wirkendes filigranes Blütchen in dieser Jahreszeit.
 

  • In diesem Jahr ist auf dem Kompost ein Kürbis ohne mein Zutun gewachsen. Es ist ein V.E.N. Speisekürbis, dessen Samen irgendwie überlebt haben. Er hat das Holzhäuschen, das Gerätehaus der Nachbarin und den Kompost überwachsen. Jetzt haben wir geerntet ... er ist butterzart und schmeckt gut.

Das Jahr hat glücklicherweise viel mehr Regen gebracht als 2022. Wir hatten lt. Meteostat.net 816 mm Niederschlag und eine Durchschnittstemperatur von 10,7 Grad, also regional nicht die jemals gemessene durchschnittliche Höchsttemperatur, die in 2022 bei 10,9 Grad lag.